Konflikte in Zeiten von Corona – wer hilft?

von Helga Sturzenhecker

Hilfe bei Ängsten, Sorgen, Nöten, Konflikten …

Corona stellt uns als Gesellschaft vor große Herausforderungen.

Ängste, Sorgen und Nöte, finanzielle Unsicherheiten, der Rückgang sozialer Interaktionen, die Enge der häuslichen Umgebung, belasten alle in unterschiedlicher Weise und Ausprägung. Im alltäglichen Umgang miteinander führt das nicht selten zu Spannungen, die aufgrund der fehlenden Struktur und Sicherheit von Arbeit und Schule sowie von  Ausgleichsmöglichkeiten (Freizeitaktivitäten, Sport, Besuch bei Freunden…) jetzt besonders stark zutage treten. An der Pandemie selbst können wir nichts ändern, wohl aber am Umgang mit deren Folgen.

So sind viele zusätzliche Beratungsstellen geschaffen und Telefondienste für speziell durch Corona einsam gewordene oder sonst besonders belastete Menschen eingerichtet worden.

Schnelle Hilfe durch KonfliktlotsInnen

Auch die KonfliktlotsInnen sind da, um Sorgen und Nöte in Bezug auf Auseinandersetzungen aufzugreifen; um zu helfen, die Gedanken zu sortieren und weitere Entscheidungen zu treffen.

Das kostenlose Krisentelefon ist jederzeit erreichbar, auch das anschließende persönliche Gespräch ist kostenlos und unverbindlich. Natürlich auch außerhalb Corona-Zeiten!

Wenn im Lockdown das Telefon klingelt, sind es zumeist Streitigkeiten in der Familie, die die Menschen belasten. Ein Anruf genügt, ein weiteres kostenloses persönliches Gespräch wird vereinbart wenn gewünscht, zurzeit nur über Videokonferenz möglich.

Ehekrise – Selbstreflexion als ersten Schritt

Ein sehr aufgeregter Mann am Telefon erzählt von Problemen mit seiner Ehefrau und dass er keinen Kontakt zu seinen Kindern habe. Trotz seiner großen Verzweiflung beruhigt er sich im Gespräch etwas.  Ich versichere ihm, dass er die richtige Entscheidung getroffen hat, hier anzurufen und sich Hilfe zu holen. Ich biete ihm in wenigen Tagen ein persönliches Gespräch an, er nimmt gerne an.     Zum persönlichen Gespräch erscheint ein junger Mann, er offenbart eine große Diskrepanz zwischen der ruhigen, gefassten Fassade und der inneren Anspannung. Er hat einen Koffer voller „Beweise“ gegen seine Ehefrau in der Hand. Seine Geschichte sprudelt aus ihm heraus. Er braucht 30 Minuten, um mir eine leidvolle Vergangenheit und eine dramatische Zuspitzung der familiären Lage in den letzten 3 Monaten zu schildern. Er möchte mit seiner Frau eine Mediation durchführen. Er ist überzeugt, dass sie völlig abhängig von der Meinung ihrer Mutter, seiner Schwiegermutter, sei. Er selbst kreist gedanklich ständig um diese Schwiegermutter. Im Laufe des Gesprächs gelingt es im Ansatz, seinen Fokus auf sich selbst zu lenken.  Er merkt, dass es für eine Mediation mit seiner Frau zu früh ist und kommt von alleine auf die Idee, dass ihm eine Therapie helfen könne. Ich biete ihm die Adressen und Telefonnummern verschiedener Beratungsstellen an (kirchliche, städtische und unabhängige), unter denen er sich entscheiden kann. Später erfahren die KonfliktlotsInnen, dass er wirklich therapeutische Unterstützung erhalten hat.

Mediation über weite Distanz

Es meldet sich eine Frau Mitte 60, die sich mit ihrem Bruder überworfen hat. Im persönlichen Gespräch stellt sich heraus, dass sie weit voneinander entfernt wohnen (in Afrika und im Schwarzwald).  Trotz unterschiedlichster Lebensbedingungen, die zu verschiedenen Weltanschauungen und Handlungsweisen führen, möchten sie ihr früher enges Verhältnis „retten“. Beide sind direkt zu einer Mediation bereit, ihnen werden erfahrene MediatorInnen empfohlen. Nach zwei Sitzungen können sie sich einigen und die Drohung, den Kontakt für immer abzubrechen, ist aus der Welt.

Die Arbeit als KonfliktlotsIn mündet nicht immer in eine Mediation. Vielfach melden sich Menschen, die sehr verzweifelt sind, die z.B. den Kontakt zu Angehörigen verloren haben oder in einer vergifteten Atmosphäre leben. Im Gespräch wird deutlich, ob eine Mediation, eine Beratung an einer anderen Stelle, ein Coaching, eine Supervision, die Telefonseelsorge oder vielleicht auch eine Therapie sinnvoll ist. In jedem Fall findet der Anrufer ein offenes Ohr und „erste Hilfe“ zum Sortieren seines Anliegens.

Schwelende Krise in Geschwister-Beziehung – Mediation führt zur Lösung

Eine Frau um die sechzig erklärt mir langsam, sie habe vor 10 Jahren einen Schlaganfall erlitten und seitdem eine Sprachstörung. Ich kann sie dennoch gut verstehen. Sie schildert das Problem mit ihrem Bruder: Dieser habe sie während der vielen Jahre betreut, Post- und Bankgeschäfte etc. erledigt. Das Verhältnis zwischen ihr und ihm sei immer gut gewesen. Jetzt sei er kurz angebunden, höre nicht mehr zu, melde sich kaum noch. Sie kann sich sein Verhalten nicht erklären. Auf die Frage, ob sie sich vorstellen könne, dass ihr Bruder mit ihr zusammen eine Mediation durchführen wolle, ruft sie erschrocken „nein“. Wir erarbeiten gemeinsam Möglichkeiten, wie sie sich ihrem Bruder nähern und er sich öffnen könne. Sie ist mit den Ansätzen sehr zufrieden und bereitet ein Treffen mit ihm intensiv vor. Ein Jahr später meldet sie sich wieder, das Verhältnis hat sich wieder normalisiert.

Mediation oder erbschaftsrechtliche Beratung?

Ein Mann Ende 50 meldet sich, es geht um einen Erbschaftsstreit und ein lange vorbestehendes Zerwürfnis in der Ursprungsfamilie. Er wird im persönlichen Gespräch darüber informiert, dass er wahrscheinlich sowohl eine(n) RechtsanwältIn als auch eine(n) MediatorIn brauchen wird. Auch ihm werden MediatorInnen empfohlen für diesen bestimmten Fall. Es stellt sich dort heraus, dass er vorrangig an der Klärung der Erbschaftsangelegenheit interessiert ist, er wurde demnach anwaltlich betreut.


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